Gottesdienst zu Karfreitag 10.04.2020
von Pfarrer Matthias Schmidt
Musik: Udo u. Uta Follert, Christian Schmidt, Matthias Schmidt
Ablauf des Gottesdienstes mit Liedern und Gebeten als PDF
Liturgie Karfreitag 2020.pdf (403,3 KiB)

EVANGELIUM

Lukas 23,32-47

Es wurden aber auch andere hingeführt, zwei Übeltäter, dass sie mit ihm hingerichtet würden. Und als sie kamen an die Stätte, die da heißt Schädelstätte, kreuzigten sie ihn dort und die Übeltäter mit ihm, einen zur Rechten und einen zur Linken.
Jesus aber sprach: Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun!
Und sie verteilten seine Kleider und warfen das Los darum. Und das Volk stand da und sah zu. Aber die Oberen spotteten und sprachen: Er hat andern geholfen; er helfe sich selber, ist er der Christus, der Auserwählte Gottes. Es verspotteten ihn auch die Soldaten, traten herzu und brachten ihm Essig und sprachen: Bist du der Juden König, so hilf dir selber! Es war aber über ihm auch eine Aufschrift: Dies ist der Juden König.
Aber einer der Übeltäter, die am Kreuz hingen, lästerte ihn und sprach: Bist du nicht der Christus? Hilf dir selbst und uns! Da antwortete der andere, wies ihn zurecht und sprach: Fürchtest du nicht einmal Gott, der du doch in gleicher Verdammnis bist? Wir sind es zwar mit Recht, denn wir empfangen, was unsre Taten verdienen; dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Und er sprach: Jesus, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst! 43 Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein.
Und es war schon um die sechste Stunde, und es kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde, und die Sonne verlor ihren Schein, und der Vorhang des Tempels riss mitten entzwei.
Und Jesus rief laut: Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände! Und als er das gesagt hatte, verschied er.
Als aber der Hauptmann sah, was da geschah, pries er Gott und sprach: Fürwahr, dieser Mensch ist ein Gerechter gewesen!

PREDIGT 2.Kor 5,17.19-21

Paulus schreibt: Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.Denn Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit ihm selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung. So sind wir nun Botschafter an Christi statt, denn Gott ermahnt durch uns; so bitten wir nun an Christi statt: Lasst euch versöhnen mit Gott! Denn er hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, auf dass wir in ihm die Gerechtigkeit würden, die vor Gott gilt.


Liebe Gemeinde,
Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserem Vater, und unserem Herrn und Heiland Jesus Christus! Amen.
Schuldige werden jetzt gesucht. Wer ist schuld, dass eine Krankheit sich rasend schnell über die ganze Welt ausgebreitet, hunderttausende Kranke, zigtausend Tote, unzählbar große wirtschaftliche Schäden verursacht hat?
 
Wir könnten einfach die Lasten tragen, einander begleiten und alles dafür tun, dass der Schaden begrenzt wird, aber damit kommen wir allein nicht aus. „Irgendwer muss doch Schuld sein!“
Es ist eine Illusion zu glauben, dass wir auf Dauer so geduldig mit Leid umgehen. Auch in dieser Epidemie nicht. Wir werden Rechnungen aufmachen und suchen nach jemandem, der sie bezahlt.
Es ist gut, wie sich unser Land darum bemüht, Geschädigte zu unterstützen, Notleidende zu tragen. Genauso wird deutlich: Keine Regierung kann und wird den Ausgleich leisten für das, was diese Krankheit anrichtet.
Was wird, wenn wir auf den Schäden sitzen bleiben und sie uns auf Dauer dazu zwingen, mit weniger und vielleicht sogar mit zu wenig auszukommen? Wie lange hält der Friede, den wir jetzt versuchen zu bewahren?
In der Bibel hat man Erfahrungen der Menschheit festgehalten. Sie sprechen davon, dass es mehr braucht, als den eigenen Durchhaltewillen und Opferbereitschaft.
Wir brauchen eine Antwort darauf, wer die Schulden bezahlt und für Gerechtigkeit sorgt. Ohne sie gibt es aus uns selbst heraus auf Dauer keinen Frieden.
 
Die Antwort des Evangeliums heißt: Es gibt eine Alternative, mit der wir Frieden finden, auch wenn wir auf den Schäden sitzen bleiben.
„Gott versöhnt in Jesus Christus die Welt“, erfährt der Apostel Paulus, als er Jesus Christus kennen lernt. Nicht wir sind die ersten, sieht er am Kreuz. Gott bezahlt als erster für uns. „Lasst euch versöhnen mit Gott!“ ruft der Apostel Paulus den Menschen seiner Zeit zu.
„Von ihm aus gelingt ein Friede unter euch, der mehr ist als menschliche Gerechtigkeit!“
Im Mittelalter hat man an den Stadttoren sogenannte „Hospitäler“ gebaut, als durch die Kreuzzüge vermehrt Krankheiten aus fernen Ländern eingeschleppt wurden, zu denen die Lepra als schlimmste zählte.
Der Weg, den Kranken aufzunehmen führte durch eine Kapelle. Bevor man mit der Behandlung seiner körperlichen Leiden begann, nahm man dem Kranken ein Schuldbekenntnis ab. Dabei lag der Schwerpunkt nicht darauf, ihm Schuld an seiner Krankheit nachzuweisen, die es ja zweifellos gab, sondern ihm zu ermöglichen, sich von Gott entlasten zu lassen, frei zu machen, von einem inneren Preis, den er schuldig blieb.
In dieser Freiheit sollte er Frieden finden, sich auf die Krankheit einzulassen und die Strapazen der Behandlung.
Die Pflegerinnen und Pfleger waren sich sicher: nur so gibt es die Chance auf Heilung.
„Lasst euch versöhnen durch Jesus Christus!“, ruft Paulus den Menschen seiner Zeit zu und ist sich gewiss, dass jedem diese Freiheit gegeben werden kann.
Auch in unserer Situation, kann das den Frieden bewahren. Nicht wir müssen den ersten Schritt in der Auseinandersetzung mit den Folgen der Epidemie gehen, Gott geht den ersten Schritt, wo es um Schuld und Verschulden geht.
 
Es ist gut darüber nachzudenken, was alles zu den Problemen geführt hat. Wir können sehen, dass die Ursachen viel tiefer liegen als nur in Unachtsamkeiten auf einem chinesischen Marktplatz und der Stadtoberen. Die Epidemie gibt vielfach Anlass tiefer zu fragen, reißt Abgründe unserer Lebenskultur auf und verweist deutlich auf Probleme, die bei weitem nicht mit medizinischen Mitteln allein gelöst werden können.
Wesentliche Bereiche unseres Lebens in den „entwickelten Ländern“ brauchen eine Intensivtherapie, müssen neu beatmet werden: unser Umgang mit der Natur, unser Wirtschafts- und Finanzpolitik gegenüber den Schwächeren, unsere sozialen Verantwortungsformen, sind nur einige davon.
Das wird nicht gelingen, wenn wir Verschulden aufrechnen. Dazu brauchen wir Freiheit.
„Lasst euch versöhnen durch Jesus Christus!“
 
Am Kreuz, so erzählt es der Evangelist Lukas, kommt einer der neben Jesus gekreuzigten Übeltäter mit Christus ins Gespräch. Er muss seine Schuld bezahlen, aber wir hören, wie er versöhnt seine Strafe annimmt und mit einer Aussicht sein Leben aufgeben kann, die der andere nicht bekommt.
„Noch heute wirst Du im Paradies sein,“ spricht Jesus einem Menschen zu, der schwere Schuld auf sich geladen hat.
So groß ist die Freiheit, die er gewährt!
 
Der Friede des Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen in Jesus Christus! Amen.